Da irrst Du Dich. Ich habe z.B. einen Bekannten, der seit vielen Jahrzehnten IPO-Sport betreibt und ein wahnsinns Bauchgefühl für seine Hunde hat. Der hat nie großartig irgendwelche Seminare besucht, macht aber vieles aus dem Bauch heraus einfach richtig. Der hat ein wunderbares Händchen für die Welpenaufzucht und ist einer der wenigen, die einen Hund von der 8 Woche an aufziehen und auf die BSP bringen können.
Wenn ich bei dem sehe dass der sich plötzlich mit einem Junghund ab dem Alter von sagen wir mal 7 bis 9 Monaten von Menschen fern hält, dann weiss sich Bescheid... Kurz drauf erscheint der dann meistens bei mir und sag "Fütter den mal". Der sucht sich dann Leute, von denen er weiss dass sie den Hund links liegen lassen, ihn beim Futter geben nicht anschauen etc. Begleithundeprüfung macht er dort wo er weiss dass die Leute, die in die Gruppe und den Verkehrsteil gehen, wissen was sie tun (z.B. keinen Blickkontakt mit dem Hund aufnehmen). Irgendwann später sieht man diesen Hundeführer mit seinem Hund dann wieder wie selbstverständlich an fremde Leute ran gehen.
Wenn diese Hunde erst mal erwachsen sind siehst Du von dieser Art der Nerventätigkeit nix mehr. Dann sind sie abgeklärt und verhalten sich fremden Menschen gegenüber neutral. Und das sind dann die Hunde, die das Publikum durch ihre Schnelligkeit und ihr "Stechen" begeistern. Im Schutzdienst wie auch in der Unterordnung. Oft besitzen diese Hunde auch hervorragende Diensthundeeigenschaften.
DAS ist Genetik !!! Und solche Hunde brauchst Du in der Zucht als Ausgleichspartner. Du musst sie halt erkennen können, damit Du nicht unbedingt Hunde mit diesem Typ aufeinander setzt. Was auch ganz tolle Hunde ergeben kann. Aber dann hast Du in den Würfen nicht selten auch "Ausfälle", bei denen das dann zu arg wird.
Wenn sich solche Hunde "in Privathand" befinden wechseln die nicht selten im Alter von einem halben bis anderthalb Jahren den Besitzer, wenn da noch eine hohe Triebveranlagung hinzu kommt. Da kannst Du mit denen als Welpe so oft durch die Fußgängerzone getappert sein wie Du willst. Das hat mit ihrer genetisch bedingten Nerventätigkeit zu tun. Und wenn in der Pubertät der hormonell bedingte Umbruch kommt bei den Nervenbahnen (juvenile werden gekappt und adulte völlig neu aufgebaut), dann werden solche Hunde eine ganze Zeit lang nervlich unausgeglichen sein, sind mit sich selbst nicht im Reinen und mit fremden Menschen (und manchmal auch Hunden) schon mal gar nicht, bis sich das mit den Hormonen eingependelt hat und ein Rüde weiss dass er ein Rüde ist, und eine Hündin eine Hündin.
Den erfahrenen Hundeführer siehst Du mit seinem Hund in so einer Phase nicht in der Fußgängerzone! Der hält sich dann ganz geschickt so weit von allem fern was den Hund unnötig belasten und auch ins Gerede bringen würde. Der tappert vorher zum Eisessen mit dem Welpen/Junghund da herum, und hinterher mit dem erwachsenen = mental ausgereiften Hund dann auch wieder. Und Du denkst "Wow, toller sozialer Hund"...
Und Du kannst nicht sagen dass solche Hunde "gut" oder "schlecht" sind für den Sport oder Dienst. Und wie abgeklärt sie sich später zeigen werden. Das zeigt sich dann erst wenn sie mental ausgereift sind. Und da spielen noch ganz viele genetisch bedingte Faktoren mit rein. Für eine Hündin mit hohem Beutetrieb, aber ein wenig Phlegma ( = Schwierigkeiten zwischen den einzelnen Triebbereichen locker wechseln zu können) sind solche Rüden, wenn sie später über genügend Härte verfügen, übrigens ganz hervorragende Zuchtpartner (und natürlich umgedreht).