Gelenkserkankungen - genetisch bedingt oder "hausgemacht"?

  • Ich denke, da hat jeder andere Gründe ( pro und kontra) und Ziele.

    Bei mir wars gaklar die schlechte Vorerfahrung mit dem ehemaligen Hund.

    Und natürlich hat der Züchter zugesichert, dass seine Hunde gesund sind und im Sport laufen, aber eben, das hab ich vom alten Züchter auch gehört..

    Zudem wollte ich mit Bassam Sport machen und das tut sich etwas leichter, wenn man Gewissheit hat, dass er gesund ist.

    Wenn ich jetzt nochmal einen Hund von dem Züchter nehmen würde, dann würd ich jetzt nicht zwingend nochmal frühröntgen, das Vertrauen ist jetzt da. Auf jeden Fall, auch wenn ich nicht züchte, würd ich aber das offizielle Röntgen machen später. Erstens hilft es der Zucht für Transparenz, zweitens auch mir im Hinblick auf Belastbarkeit im Sport.

    Unter dem Strich gesehen ist jetzt aber dieses Röntgen nicht so wahnsinnig teuer, dass man sich deswegen einen Kopf machen muss.

  • So, hier mal noch Patricks öffentliche Antwort zu dem Thema:

    Hallo und guten Morgen Seraina!

    Vielen Dank für deine durchdachte und wichtige Frage zur Hüftgelenksdysplasie (HD). Wir freuen uns sehr über dein Interesse und die Offenheit, das Thema öffentlich anzusprechen – denn genau solche Fragen bewegen viele, die sich mit Hundegesundheit, Zucht und Prävention beschäftigen.


    Da es sich bei HD um ein komplexes und vielschichtiges Thema handelt, das nicht in einem Satz beantwortet werden kann, haben wir heute Morgen direkt mit Patrick Rücksprache gehalten. Hier kommt eine ausführlich fundierte Antwort, die hoffentlich auch für andere Leserinnen und Leser spannend ist:


    > Was ist HD – und wodurch entsteht sie?

    Die Hüftgelenksdysplasie ist eine polygenetisch veranlagte, multifaktorielle sowie biomechanisch beeinflusste Erkrankung. Das bedeutet:

    "Es sind mehrere Gene beteiligt, die in unterschiedlichem Ausmaß auf die Entwicklung des Hüftgelenks einwirken. Man unterscheidet sogenannte Hauptgene mit starkem Einfluss und Nebengene mit geringerem Einfluss. Diese folgen nicht den klassischen mendelschen Vererbungsgesetzen."


    Wichtig ist: Kein Welpe wird mit HD geboren.

    Die Erkrankung manifestiert sich im Verlauf des Wachstums, typischerweise ab der 10. bis 11. Lebenswoche. Genau in dieser Phase spielen die Umweltfaktoren und biomechanischen Einflüsse eine entscheidende Rolle.


    Zu den wichtigsten Einflussfaktoren zählen:


    1. Bewegung & Belastung

    Eine gleichmäßige, kontrollierte Belastung fördert den Aufbau der Muskulatur rund um das Hüftgelenk – und diese wiederum sorgt für Stabilität.

    Unkontrolliertes Toben, zu frühes oder übermäßiges Training, oder auch das Gegenteil – zu wenig Reiz – können die Ausbildung der Hüftpfanne negativ beeinflussen.


    Hier kommen zwei wesentliche Prinzipien ins Spiel:

    > Die Ein-Minuten-Regel: Kurze, häufige Bewegungseinheiten sind für Welpen im Wachstum physiologisch optimal. Sie fördern Muskulatur und Koordination eben ganz ohne Überlastung

    > Die Arndt-Schulz-Regel: Schwache Reize stimulieren, mittlere fördern, starke hemmen, sehr starke schädigen – ein Prinzip, das bei der Bewegungssteuerung in der Wachstumsphase berücksichtigt werden sollte


    2. Ernährung & Wachstum

    Eine zu energiereiche Ernährung, insbesondere bei großrahmigen Rassen, kann zu einem übermäßig schnellen Wachstum führen. Das Risiko: Der Körper wächst schneller, als die Strukturen sich stabil entwickeln können.

    Gerade die Hüfte besteht im frühen Alter aus weichem Knorpelgewebe – hier ist langsames, kontrolliertes Wachstum besonders wichtig!


    3. Biomechanik

    Auch die individuelle Beckenform (Darmbein, Sitzbein, Schambein) spielt eine Rolle – je nach Winkel und Form wird die Hüftpfanne entweder gut oder unzureichend überdacht. Wichtig ist auch der Druck des Oberschenkelkopfes in die Pfanne – dieser Druck, wenn er gleichmäßig und über funktionale Bewegung ausgeübt wird, fördert die Pfannentiefe und Gelenkstabilität.


    Dieses Prinzip nennt man:

    > Form-Funktions-Prinzip: Strukturen entwickeln sich entsprechend ihrer Funktion. Nur wenn ein Gelenk richtig belastet wird, kann es sich anatomisch korrekt entwickeln.


    Ergänzt wird dies durch:

    > Reiz-Reaktions-Regel: Jede Belastung erzeugt eine Anpassung. Richtig dosierte Reize fördern die Stabilität – falsche Reize führen zu Fehlanpassungen oder Instabilität.


    Wie hoch ist der genetische Anteil wirklich?

    "Es stimmt: nach heutigem Wissensstand liegt der genetische Einfluss bei etwa 30 bis 40 %." Der größere Anteil entfällt auf Umweltfaktoren und biomechanische Einflüsse.

    Das bedeutet konkret:

    > Auch ein genetisch unauffälliger Hund kann unter ungünstigen Bedingungen eine HD entwickeln

    > Umgekehrt kann bei genetischer Vorbelastung durch gezielte Maßnahmen viel abgefedert werden


    Was folgt daraus?

    HD ist nicht einfach „vererbbar“ oder „vermeidbar“ – sie ist das Ergebnis vieler Faktoren, die zusammenspielen.

    Daher setzen wir bei orthoVET auf Früherkennung, präventive Beratung und gezielte Aufklärung, z. B. über unser Buch LupoMove Puppy oder die Welpensprechstunde, in der wir individuell auf Haltung, Bewegung und Entwicklung eingehen.


    Vielen Dank nochmals für deinen Beitrag, Seraina – du hast mit deiner Frage einen zentralen Punkt angesprochen, der viele betrifft. Wenn du noch weiter eintauchen möchtest: Wir stehen dir gerne für ein vertiefendes Gespräch zur Verfügung.


    Herzliche Grüße!

    Dein orthoVET-Team


    PS: In unserem Webinar „Wieviel und welche Bewegung braucht der Welpe?“ geht Patrick nochmal auf genau diese Zusammenhänge ein – von Bewegungssteuerung über Belastung bis hin zu den typischen Fehlerquellen im Alltag.😃