Uns gibt es auch noch

  • Hallo zusammen,


    vielleicht erinnert der ein oder andere sich. Wir haben den bulgarischen Tierschutzhund, der unsicher, ängstlich und dann teils aggressiv ist.

    Ich habe lange Zeit nun nichts mehr geschrieben hier, denn wir waren sehr beschäftigt.


    Es hat sich viel getan, berufliche Veränderung, sodass wir mehr Zeit für unseren Hund haben. Familiäre Veränderung, die auch entlastender sind. Es ist viel passiert.


    Unser Hund wird höchstwahrscheinlich niemals ein Menschenfreund werden, er wird immer Angst haben vor Fremden.

    Er geht jetzt schon seit vielen Monaten 2x die Woche zum Training im Verein, das macht ihm große Freude und er wird dort gut angenommen. Die Leute dort mögen ihn mittlerweile und auch er fasst zum ein oder andere Vertrauen, vorrangig zu den Damen, die dort mit ihren Hunden auch trainieren. Mit Männern hat er es nach wie vor nicht.

    Er ist immer noch absolut gelehrig, lernt schnell und gut. Will immer alles richtig machen, freut sich über Lob und/oder Leckerli. Mein Mann macht das Training mit ihm, es ist gut so. Dieser ständige Wechsel, den wir anfangs hatten, war nicht gut. Mal ich, mal mein Mann.... er hat nun meinen Mann als Rudelchef und hört aber ebenso auf mich oder unsere Tochter.


    Er darf nie ohne Leine laufen, er kommt nicht zurück. Auch im Garten darf er das nicht. Er trägt weiterhin Maulkorb wenn wir wissen, es können uns viele Menschen begegnen. Das ist einfach sicherer und stört ihn nicht weiter. Man wird zwar manchmal blöd angeschaut, aber egal.


    Er wird auch immer seinen ausgeprägten Schutzinstinkt haben, damit müssen wir halt umgehen. Er bellt immer noch vom Balkon runter, wenn jemand vorbei geht, den er nicht kennt. Die Stimmen der Nachbarn stören ihn nicht mehr. Da ist er chillig, die gehören hierher, das passt für ihn.

    Zuhause hat er seinen Platz im Wohnzimmer, wo er tagsüber gern liegt. Außer abends wenn wir fernsehen, er sucht er die Ruhe. Da liegt er dann in der Küche auf einem Teppich.


    Wir haben für uns eine Lösung gefunden, wo alle Beteiligten zufrieden sind.
    Er ist kein Mitnehmhund, er muss nicht überall dabei sein und er darf auch nicht überall mit. Nur zu unseren Freunden, die ihn mögen und die auch er mag und akzeptiert. Das sind genau zwei Ehepaare mit Hund. Mehr Leute mag er nicht, diese liebt er und bleibt auch mal dort.


    Er darf mit in den Urlaub, als Camper geht das ja ganz gut.

    Er durfte auch schon ins Restaurant mit, mit viel Beruhigung, Maulkorb und im letzten Winkel der Gaststätte hat das gut geklappt. Er lag dann unterm Tisch und war wirklich ruhig, kein Stress für ihn. Mein Mann hat ihm immer mal die Hand aufgelegt, das hat ihm scheinbar gutgetan. Das war im Urlaub, zuhause geht er nicht mit ins Restaurant. Aber allein im Wohnmobil wollten wir ihn nicht lassen.


    Wir werden sehen wie es weitergeht. Abgeben ist keine Option mehr, er würde nie mehr Vertrauen fassen. Nie. Vor allem aber nimmt so einen schwierigen Hund keiner. Da müsste schon DER perfekte neue Mensch für ihn kommen, der auch soviel Geduld hat. Und das können und wollen wir unserem Hund nicht antun. Wir haben ihn geholt, jetzt ist er da und wir arbeiten fleißig an allen Baustellen, die er so hat.

    Von den vielen Problemen, die er mal hatte ist eigentlich nur noch die Angst vor Menschen und die Unsicherheit geblieben.


    Er ist zuhause bei uns eine Seele von Hund, so feinfühlig und lieb. Ich vor kurzem krank, nach einer kleinen OP war ich etwas geschafft. Er hat das sofort gemerkt, wich nicht von mir. Das war mir schon wieder zuviel an Schutz- und Machtübernahme, hat sich auch sofort wieder erledigt, als ich wieder fit war. Er läuft nicht dauernd nach, geht auf seinen Platz wenn man ihm das anweist. Klingelt es an der Tür rennt er zwar immer noch aufgeregt, aber lässt sich ins Sitz bringen und bleibt auch.


    Naja, wie ihr lest, haben wir viel gearbeitet an uns, an ihm.

    Bis bald mal, auch wenn ich nicht mehr so oft dazu komme zu schreiben.


    melli

  • Hallo Melli, schön, wieder einmal von euch zu lesen. Und im Groben und Ganzen liest sich das alles sehr gut. :thumbup:


    Schäferhunde haben meiner Erfahrung nach wirklich oft einen starken Schutztrieb. Ich habe da auch so einen Brocken, der meint, für mich regeln zu müssen. Da musste ich viel lernen. Wir nehmen Harras auch nicht mehr überall hin mit. Er hat seine Ruhe und für uns ist es z.B. im Restaurant entspannter.


    Was euer Hund alles erlebt hatte, bevor er zu euch kam, werdet ihr wohl nie so ganz wissen. Da ist es doch toll, dass er zu euch und sogar einigen anderen Menschen vertrauen gefasst hat.


    Ich hoffe, du hast deine OP gut weggesteckt und es geht dir wieder gut. Es würde mich freuen, wieder öfters von euch zu lesen.

  • Hallo Pinguetta,


    nein, wir werden es nie erfahren, was er erlebt hat. Wir merken es nur immer, wenn sich Situationen auftun, wo er seltsam reagiert.


    Pferde mag er nicht, da hat er furchtbar Angst.

    Glatzköpfige Männer in dunkler Kleidung mag er auch nicht, da reagiert er ernorm....

    Käse liebt er, rohe Karotten nicht, gekocht sehr wohl.

    Traktor, Müllabfuhr, LKW .... all das macht ihm Angst.

    Rehe mag er, aber eher zum Spielen als zum Jagen, eigenartig, aber er begibt sich dann immer in Spielposition.


    Wir finden immer wieder Neues heraus, was ihm Angst macht oder ihn unsicher werden lässt. Wir haben gelernt, viel mehr auf seine Zeichen zu achten. Ihn noch intensiver zu "lesen". Das erleichtert uns Vieles.

  • Das ihr eine Maulkorb nutzt, ist da schon einmal sehr gut. Auch ich gehe mittlerweile mit Harras nur noch mit Maulkorb vor die Tür. Ihn stört ea nicht und mir gibt es Sicherheit, falls doch einmal eine Situtation eintretten sollte, die ich so nicht eingeschätzt habe. Und wenn andere blöd darauf reagieren, ist mir das egal. Im Gegenteil, wir bekommen so fast wie von selbst den von meinem Hund gewünschten Abstand.


    Käse liebt Harras auch. Gemüse roh gar nicht, gekocht wird es mitgefressen.

    Große Maschinen, Autos etc. machen ihm zum Glück keine Angst. Wir sind oft im Hafen und Industriegebiet unterwegs, da gibt es einiges an großen Fahrzeugen dafür aber eben selten andere Leute mit Hunden "die schon mal vom Schäferhund gebissen worden sind." ;)

  • Liebe Melli,


    was für ein Glück dieser Hund hat, genau bei euch gelandet zu sein, ist großartig. Ihr habt auch ein Gefühl für diesen Hund entwickelt, ihr merkt, was ihm hilft und was nicht, regiert dementsprechend und das wiederum stärkt das gegenseitige Vertrauen. Und davon profitieren bereits alle, wenn ich mir das alles durchlese, was sich schon alles zum Positiven gewendet hat.


    Richtig klasse❣️


    Gekochtes Gemüse mag Boss auch, rohe Karotten sind dafür ein Faible von Ganja, die liebt sie.

  • da hat der Hund ja wirklich großes Glück gehabt bei Euch gelandet zu sein, ich stell mir gerade vor was alles hätte passieren können wenn er zu unfähigen und überforderten unkundigen Menschen gekommen wäre die ihn nur aus falschverstandener Tierliebe aufgenommen hätten aber dann total hilflos gewesen wären.

    Ihr macht das richtig toll

    Hab mir jetzt alles von Anfang an mal durchgelesen

    Großen Respekt!

  • Hallo Melli!

    Das klingt alle sehr herausfordernd, aber ich muss mich den anderen anschließen: was für ein wundervolles Glück, dass Euer Hund bei Euch gelandet ist. Respekt für Euer Einfühlvermögen und Hundeverstand!

  • Ich finde auch, dass ihr offenbar einen tollen Job mit eurem Hund macht.


    Schwierige Hunde bringen einen selbst auch immer weiter, wenn man sich darauf einlässt. Und ich finde es toll, wie ihr euch einbringt und eurem Hund den Weg ebnet.