Was ist für euch Gewalt in der Hundeerziehung?

  • @Ellionore wir sprachen doch von Zwängen und nicht von Gewalt. :/


  • Die Hündin bei der Leine und Halsband zu (notwendigem) Starkzwang wurde ist in der Wildnis aufgewachsen. Meine Bekannte hat wochenlang daran gearbeitet die Hündin anzulocken und irgendwie in Gewahrsam zu nehmen. Hündin ca 1 bis 1,5 Jahre alt. Malinoismischung.


    Es gab keine andere Möglichkeit als der Hündin sobald wie möglich ein Halsband anzulegen und Leine um sie dirigieren zu können und am Wiederweglaufen zu hindern. Es herrschen eben manchmal Umstände, die eine ideale Vorgehensweise nicht ermöglichen. Da muss man sich dann für das kleinere Übel entscheiden.


    Ich muss sogar erwähnen, dass dieses erste Halsband eine Schlinge war, weil es nicht möglich war die Hündin genügend anzufassen um ein Halsband dranzufummeln und auch nicht riskiert werden konnte, dass die Hündin rausschlüpft.

  • Ich mag auch noch mal mit einsteigen.


    Für mich ist Gewalt alles, was beim Hund einen absichtlich hervorgerufenen „Schaden“ bezweckt.


    Das heißt, dass ein Tritt oder Stachelhalsband, der/das weh tun soll und deswegen auch so eingesetzt wird, für mich genau so Gewalt darstellt wie das absichtliche Angst machen oder Einschüchtern, zum Beispiel durch geworfene Rappeldosen oder anschreien.


    Oder ein noch konkreteres Beispiel:


    Hier wurde genannt, dass man einem Hund, der an einem hoch springt, auf die Füße treten solle. Das wäre für mich Gewalt.

    Aber wer kennt es nicht: man läuft am Hund vorbei, der bewegt sich ruckartig und ZACK tritt man versehentlich auf die Pfote - im Prinzip genau das gleiche, für mich aber keine Gewalt.


    Oder auch das Werfen von Rappeldosen/Wurfketten o.ä.: für mich Gewalt.

    Fällt einem aber mal die Box mit den Schrauben aufs Laminat und der Inhalt verteilt sich laut krachend - für mich keine Gewalt.


    Der Effekt bzw. die Handlung ist im Prinzip gleich, allerdings wird das eine bewusst eingesetzt und das andere versehentlich. Beides hat aber Auswirkungen - bei dem einen Hund gar keine, bei einem anderen Hund ist das dann traumatisierend.


    Nun ist die Frage, ob und wann man welche Form von Gewalt einsetzt? Das ist schwierig, höchst individuell und pauschal einfach nicht zu beantworten, finde ich.


    Mir wurde ja auch schon der Rat gegeben, Brummi mal eine Kopfnuss zu verpassen - das würde bei ihm das gezeigte, unerwünschte Verhalten deutlich verstärken UND es beeindruckt ihn nicht bzw. stachelt ihn an.


    Wenn ich den Husky nur böse angucke und etwas mein Stimmchen erhebe, hüpft der sofort in seine Spur zurück und kooperiert bedingungslos.


    Fällt mir beim Husky die Dose mit den Schrauben auf den Boden, bekommt der einen Herzinfarkt. Brummi eilt mir sofort zur Hilfe, um mir beim einsammeln zu helfen.


    Natürlich ist es praktisch, dass der Husky sofort hört, wenn ich etwas strenger spreche, während ich den Brummi förmlich anschreien muss und ihn selbst das einfach nicht interessiert. Allerdings ist es auch praktisch, dass ich an einer ohrenbetäubend lauten Baustelle mit dem Brummi einfach vorbei kann, während ich mit dem Husky daran gar nicht denken muss und ihn wenn dann nur durch hinter mir her zerren an der Leine dort vorbei schleifen kann.


    Für den Husky ist ein lautes Stimmchen Gewalt. Für den Brummi gar nicht existent. Wie man Gewalt also einsetzt und was man damit beabsichtigen will, entscheidet für mich letztlich darüber, was moralisch vertretbar ist.


    Und Moral ist etwas anerzogenes, gelerntes, angeeignetes. Also ist die Bewertung von Gewalt ebenso völlig individuell wie es schon die Definition der Gewalt ist. Da gibt es einfach kein richtig und kein falsch, keinen gemeinsamen, akzeptablen Nenner, auf den man sich einigen könnte, selbst wenn man das noch so sehr möchte. Was ich moralisch verwerflich finde, ist für den anderen das Mittel der Wahl. Was der andere als Gewalt definiert, ist für meinen Hund völlig irrelevant.


    Worauf man sich einigen können muss, ist die Akzeptanz der jeweils genutzten Methoden des anderen. Natürlich hat Akzeptanz ihre Grenzen, wenn ein Tier gequält wird oder leidet. Aber selbst das ist ja wieder Definitinssache und von moralischer Bewertung abhängig.


    Ich bin an sich kein Wattebauschwerfer, aber ich will meinem Hund keine Schmerzen und kein Leid zufügen, die unsere Beziehung beeinträchtigen, insbesondere wenn er keine andere Wahl hat, als falsch zu handeln, weil er die Alternative gar nicht kennt - das ist für mich auch Gewalt.


    Wenn ich ihn also anbrülle, am Halsband packe und ihn unsanft daran weiter schleife, weil er grade einem Auto auf der Hauptstraße nachhetzen wollte OBWOHL ich es ihm verboten und ihn streng ermahnt habe, dann ist das durchaus Gewalt. Es ist aber auch eine Absicherung in einer akuten Gefahrensituation und eine konsequente Einwirkung auf saugefährliches Verhalten (es gefährdet mich, den betroffenen Autofahrer, den kompletten Verkehr drum rum und sich selbst) und ich merke dabei dann aber, wie er „mitläuft“ und lasse dann auch sofort wieder los - starre ihn aber noch böse an und übe dadurch Druck aus (wieder Gewalt), dass er in den noch sehr heiklen Sekunden danach bloß nicht auf die Idee kommt, das noch mal zu bringen, obwohl er wieder die Chance hat, was er eben gerissen hat und das böse anglotzen mache ich, bis er sich wieder angemessen verhält und keine Gefahr mehr von ihm ausgeht und ich mir dessen sicher bin. Dabei ändert sich an dem Verhältnis zwischen uns aber rein gar nichts. Denn er kennt beide Varianten und hat die Wahl - gut benehmen und Lob oder schlecht benehmen und immer die gleiche Konsequenz.


    Ich würde ihm aber keine Backpfeife verpassen, weil er dann erstens auf/gegen mich los geht in dem Moment, direkt von 100 auf 300 hochpusht und dann kaum mehr zu beruhigen wäre UND: es die Beziehung kaputt machen würde, die er zu mir hat, denn ich greife ihn dabei an, er bekommt Panik und ist völlig überfordert und beißt um sich, weil er sich anders nicht zu verteidigen bzw. zu helfen weiß.


    Mein Hund und ich sind nun an einem Punkt - und da habe ich lange drauf hingearbeitet - wo er mich körperlich und sprachlich einwandfrei versteht und ich ihm körperlich und sprachlich genau vermitteln kann, was ich von ihm möchte und ihm dabei immer der gute und schlechte Weg mit entsprechenden angenehmen und unangenehmen Folgen bekannt ist.


    Wenn ich beim gassi abrupt stehen bleibe, hält er sofort an, obwohl er augenscheinlich gar nicht mitzubekommen scheint, dass ich überhaupt noch da bin. Laufe ich rückwärts, folgt er mir und kommt in meine unmittelbare Nähe.


    Dennoch will er auf Autos drauf. Dennoch hasst er andere Hunde. Da funktionieren diese Dinge nicht, weil die positiven Alternativen noch nicht in der Ausprägung etabliert sind, wie sie es sein müssten, damit er sich von sich aus anders entscheidet. Er fängt an zu glotzen, ist nicht mehr davon abzubringen, ignoriert meine Existenz und ballert an mir vorbei, weil er komplett im Tunnel festhängt, obwohl ich schon ermahne, bevor er sich überhaupt festglotzt - in anderen Situationen würde er sich niemals wagen, einfach an mir vorbei zu brettern, da reagiert er auf subtilste Bewegungen und Geräusche von mir.


    Aber wenn er nicht reagiert, muss ich zu oben genannter „Gewalt“ greifen (kurz bevor oder wenn es eskaliert ist), um Gefahren abzuwehren und ihm zu vermitteln: so nicht. Irgendwann wird ihm das zu blöd und er wählt den leichteren, angenehmeren Weg, der ihm immer offen bleibt, aber das dauert nunmal, bis da ein entsprechendes Umdenken und MITdenken im Kopf beginnt.


    Bei ihm funktionieren keine Hau-Ruck-Lösungen. Einen anderen Hund kann man anschreien und eine klatschen und der geht nie wieder einem Auto nach. Das ist auch Gewalt - einmal eingesetzt und voila, Problem gelöst. Man muss nicht wie ich ständig diese „Gewalt“ einsetzen, weil der Hund sofort draus gelernt hat. Vorerst zumindest. Ich kann wiederum die Backpfeife 100x einsetzen und es ändert sich nichts, es ist ihm schlicht egal bis hin zu sofort eskalativ.


    Und das ist für mich eben auch Gewalt: wenn ich dem Hund gar keine Möglichkeit gebe, den besseren, entspannteren Weg zu gehen, der ihm BEKANNT ist, sondern ihn sofort gewaltvoll sanktioniere, um Verhalten durch Angst und Schmerz zu unterdrücken, obwohl er keinen Weg B kennt und falls doch, ich diesen nicht/nie immer gleich verstärke. Geht Brummi von sich aus den Weg B, gibts ne Riesenparty. Er weiß also, es gibt etwas besseres und gefeiert wird er dafür auch noch - und zwar immer gleich. Wenn er sich trotz Warnung aber für Weg A entscheidet, muss ich reagieren - und zwar immer gleich.


    Ich muss dem Hund vermitteln, dass er aus eigenem Denkvermögen heraus gewisses Verhalten unterlässt oder eben auch zeigt, da ich dem Hund erst ab da vertrauen kann. Unterdrücke ich Verhalten durch starke Gewalteinwirkung bzw. dadurch ausgelöste Angst und Furcht vor Schmerz, bleibt der Hund eine tickende Zeitbombe, die immer wieder mal in alte Muster zurück fällt und dann hat man einen „aber das hat er ja schon seit 4 Monaten nicht mehr gemacht“-Hund der „das eigentlich nicht mehr gemacht hat, seitdem ich ihm mal richtig die Meinung gesteckt hab“. Warum ist das so? Weil unterdrücktes Verhalten keine erlernte Alternative darstellt, die der Hund in petto hat und drauf zugreifen kann bzw als für ihn besser bewertet.


    Kennt der Hund nur die Möglichkeit, einen Hund zu Schreddern oder es zu lassen, weil er sonst eine Backpfeife bekommt und ihn das stark ängstigt, bleibt ersteres immer etwas verlockendes, erstrebenswertes und die Beziehung ist instabil. Hat er aber gelernt, dass es da noch den dritten Weg gibt, wird der irgendwann ebenso oder sogar verlockender und erstrebenswerter. Das passiert aber nicht, wenn man etwas zwei Wochen lang schön füttert, das braucht gefühlt Ewigkeiten, manchmal auch Jahre, je nach Veranlagung des Hundes.


    Und deswegen finde ich es auch mittlerweile für mich unmöglich, Leuten zu gewissen Korrekturen, Sanktionen oder sonst was zu raten, denn dafür muss man den Hund mal ein paar Wochen an der Leine gehabt haben und kann nicht einfach davon ausgehen „dass das bei meinem ja geholfen hat, also wird das bei deinem auch klappen, da bin ich mir sehr sicher“, denn das kann man sich überhaupt nicht sein, ohne Hund und Halter zu kennen. Und so wird dann Gewalt angewandt, weil irgendwer das mal geraten hat oder jemand davon überzeugt ist. Auch von schlechten Trainern - wie ich selbst erlebt habe. Und es hat einiges verschlimmert und daraufhin ungewollt gefestigt. Man kann Möglichkeiten aufzeigen und testen, aber drauf beharren als Dritter, Außenstehender: nein.


    Deswegen ist für mich ein Stachelhalsband auch Gewalt, wenn einfach nur verhindert werden soll, dass der Hund keine Jogger mehr jagt und man ihm keinen dritten, guten Weg (jagen/gute Alternative/schlechte Alternative) aufzeigt, denn er stattdessen nutzen kann. Etwas anderes wäre es für mich, das Stachelhalsband zu nutzen, wenn ein Hund trotz dieses Wissens sich nach wie vor dazu entscheidet, Jogger nicht nur zu jagen, sondern töten zu wollen. Dann finde ich ein Stachelhalsband lebensversichernd.


    Und so muss man eben immer abwägen, aber kann sich nicht pauschal auf eine Definition einigen. Es gibt immer Leute, die einem zustimmen, aber auch immer welche, die das niemals tun werden. Aber selbst nach dem Mehrheitsprinzip kann man nicht gehen, denn das ist immer noch nicht individuell auf Hund und Halter abgestimmt.


    :)

  • Aber manchmal, wenn gekonnt eingesetzt, kann Gewalt auch Wunder bewirken, das sollte man nicht vergessen.

    z.B. das Hochspringen an chic gekleideten Personen ist nicht sehr schön und kann mithin lange dauern um es dem Hund abzugewöhnen. Eine gut ausgeklügelte Einwirkung kann dieses unerwünschte Verhalten des Hundes stoppen für immer. Und für den Hund mag das dieses eine Mal Gewalt sein aber dann haben alle Ruhe, incl. der Hund, wenn er endlich versteht dass das nicht gewollt ist.

  • ^^ Ja, ich finde die wirkungsvollsten Reaktionen sind die die wirklich ECHT sind.


    Wichtig hierbei ist nur, dass man nicht unmittelbar im Anschluss ein schlechtes Gewissen hat. Sonst fällt man in die Kategorie die ich für die schlimmste halte: inkonsequente mal-so-mal-so Leute die dem Hund keinen richtigen Weg vorgeben und deren Reaktion vom Hund nicht einschätzbar ist.


    Ich denke es ist grundsätzlich so, dass wenn man von Anfang an Grenzen zieht, die man dann auch wirklich einhält, dann hat man keine Probleme solcher Art und dann muss man auch null Gewalt ausüben.

  • ^^ Ja, ich finde die wirkungsvollsten Reaktionen sind die die wirklich ECHT sind.


    Wichtig hierbei ist nur, dass man nicht unmittelbar im Anschluss ein schlechtes Gewissen hat. Sonst fällt man in die Kategorie die ich für die schlimmste halte: inkonsequente mal-so-mal-so Leute die dem Hund keinen richtigen Weg vorgeben und deren Reaktion vom Hund nicht einschätzbar ist.


    Ich denke es ist grundsätzlich so, dass wenn man von Anfang an Grenzen zieht, die man dann auch wirklich einhält, dann hat man keine Probleme solcher Art und dann muss man auch null Gewalt ausüben.

    Oh je, dann falle ich wohl in die Kategorie dieser schlimmsten Leute. Ich bemühe mich echt konsequnt zu sein- bin ich aber nicht immer. Gewalt (ja ja die Definition ist hier schwammig) lehne ich generell ab. Mir sind aber auch schon die Nerven durchgeganen und ich habe zugepackt. Schlagen würde ich dagegegen nie. Und ich hatte auch nach dem "Zupacken" ein furchtbar schlechtes Gewissen.

  • Aber manchmal, wenn gekonnt eingesetzt, kann Gewalt auch Wunder bewirken, das sollte man nicht vergessen.

    z.B. das Hochspringen an chic gekleideten Personen ist nicht sehr schön und kann mithin lange dauern um es dem Hund abzugewöhnen. Eine gut ausgeklügelte Einwirkung kann dieses unerwünschte Verhalten des Hundes stoppen für immer. Und für den Hund mag das dieses eine Mal Gewalt sein aber dann haben alle Ruhe, incl. der Hund, wenn er endlich versteht dass das nicht gewollt ist.

    Micha369


    Aber genau das ist ja das, was @Azemba schreibt: Für den einen Hund ist es Gewalt, für den anderen Hund ein "Ups!"


    Und genau da fängt das Problem an: Der Hund, der sensibel ist, wird vermutlich nie mehr an jemandem hochspringen ... aber das Vertrauen zu seinem Menschen konnte auch erst mal einen Riss bekommen, denn der Hund hat festgestellt: "Auf den verlasse ich mich besser nicht!"


    Der Ups-Hund wird vermutlich das Hochspringen in diesem Moment lassen. Aber der Hund wird das mit Dir in Verbindung bringen. Also kann es durchaus sein, dass er - wenn Du nicht da bist - trotzdem an Leuten hochspringt.


    Was aber für mich noch bedeutender ist: Wenn ich durch körperliche Sanktion gegen den Hund agiere, wird er als Ups-Hund erst mal klein beigeben, weil Du momentan der Stärkere bis. Was ist aber, wenn Du mal Schwäche zeigst? Dann übernimmt dieser Hund auch gerne mal das Ruder und der Punkt geht auf sein Konto.


    Insofern ist für mich ein zielführendes Training sinnvoller, als die "einmal eine Kopfnuss und gut ist"-Methode.


    Wobei ich momentan selbst auch sehr hinterfrage, was nun Gewalt ist und was nicht.


    Ich schrieb es schon an anderer Stelle bei den Lerntheorien: Je mehr Wissen ich sammle, desto mehr verwirrt es mich.


    So sieht Frau Reichel das Begrenzen als "Einschüchtern", das ein mit der Situation verbundenes negatives Gefühl noch verstärkt und damit die Situation mit einem unguten Gefühl belegt.


    Für mich ist es eigentlich sinnvoll, dem Hund, der jagen will, in dieser Situation ein ungutes Gefühl zu geben, aber sofort das erwünschte Alternativverhalten anzubieten und jedwede Aufmerksamkeit weg vom Wild sofort zu markern und zu belohnen - also wieder in die freudvolle Situation zu führen und die zu bestärken, sodass das Jagen nicht mehr lohnenswert ist.


    Das klappt - solange meine Aufmerksamkeit beim Hund ist und da gehört sie ja auch hin - sehr gut.


    Auch Jogger, Stockschwinger, Waldarbeiter kann ich inzwischen gelassen mit meiner Leinenramboline meistern - das Training schweißt uns aber auch zusammen und stärkt unsere Bindung.


    Aber Hundebegegnungen sind für Chia immer noch ein rosarotes Tuch. Es hat sich viel gebessert, aber sie scheint nach wie vor jede Hundebegegnung mit einem negativen Gefühl zu verbinden. Ohne Leine: Alles prima! Mit Leine: Frust an allen Enden der selbigen.


    Also ist das Begrenzen - also das Blockieren nach vorn zum anderen Hund - schon zuviel der Gewalt, auch wenn ich sofort markere, wenn sie zu mir schaut und nicht bellt? ich kann es tatsächlich aktuell nicht beurteilen und suche nach Lösungsmöglichkeiten. Ich möchte nur nicht unbedingt den Trainingsweg komplett verändern, denn in den meisten Siotuationen funktioniert er gut und ich habe wirklich das Gefühl, dass Chia sich viel enger an mich bindet und ständig den Blickkontakt sucht, um nachzufragen, ob von mir noch alles gut ist.

  • Ich möchte nur nicht unbedingt den Trainingsweg komplett verändern, denn in den meisten Siotuationen funktioniert er gut und ich habe wirklich das Gefühl, dass Chia sich viel enger an mich bindet und ständig den Blickkontakt sucht, um nachzufragen, ob von mir noch alles gut ist.

    In den meisten Situationen ... nur eben nicht in allen. ;)


    Und zum Thema ständig Blickkontakt suchen um nachzufragen: Will ich einen so unselbstständigen Hund dem ich quasi das denken abnehmen soll/muß, oder will ich nicht eher einen Hund der von sich aus innerhalb der gewünschten Bahnen agiert? Das ständige "nachfragen" hat ja, für mich, primär nichts mit Bindung zu tun, sondern eher mit Unsicherheit wie in bestimmten Situationen verfahren werden soll/darf.

  • Ich möchte nur nicht unbedingt den Trainingsweg komplett verändern, denn in den meisten Siotuationen funktioniert er gut und ich habe wirklich das Gefühl, dass Chia sich viel enger an mich bindet und ständig den Blickkontakt sucht, um nachzufragen, ob von mir noch alles gut ist.

    In den meisten Situationen ... nur eben nicht in allen. ;)


    Und zum Thema ständig Blickkontakt suchen um nachzufragen: Will ich einen so unselbstständigen Hund dem ich quasi das denken abnehmen soll/muß, oder will ich nicht eher einen Hund der von sich aus innerhalb der gewünschten Bahnen agiert? Das ständige "nachfragen" hat ja, für mich, primär nichts mit Bindung zu tun, sondern eher mit Unsicherheit wie in bestimmten Situationen verfahren werden soll/darf.

    Bei einem unsicheren Hund verstärkt aus meiner Sicht das "Drängen ins selbstständige Denken und Handeln" die Unsicherheit. Natürlich darf mein Hund gerne selbstständig denken. Dafür biete ich ihm Intelligenzspiele, Futtersuchspiele, Trickdogging oder eben das Training über die kontingente Verstärkung. Da darf mein Hund experimentieren und sich selbst belohnen. Wenn wir aber unterwegs sind, dann bin ich froh, wenn mein Hund sich an mir orientiert und nachfragt, ob er tun darf, nach was ihm der Sinn steht. Schließlich fördert meine Sicherheit und die Sicherheit, dass mein Hund sich auf mich verlassen kann, auch die Selbstsicherheit des Hundes, weil er sich durch positive Lernerfahrung selbst bestärkt und belohnt.

  • Und zum Thema ständig Blickkontakt suchen um nachzufragen: Will ich einen so unselbstständigen Hund dem ich quasi das denken abnehmen soll/muß, oder will ich nicht eher einen Hund der von sich aus innerhalb der gewünschten Bahnen agiert? Das ständige "nachfragen" hat ja, für mich, primär nichts mit Bindung zu tun, sondern eher mit Unsicherheit wie in bestimmten Situationen verfahren werden soll/darf.

    Den Gedanken bzw. diese Frage stellte ich mir grade auch.


    Im Prinzip müsste das Ziel immer sein, dass ein Hund, der sich unsicher ist, nachfragt (bzw. am Halter orientiert) und davon lernt und dann irgendwann gar nicht mehr nachfragen muss, weil die Sache für ihn klar ist. Denn wenn man dem Hund mal nicht "antworten" kann, trifft der eine eigene Entscheidung - tut ja sonst keiner mehr für ihn. Brummi hat als junger Bub oft nachgefragt bzw. sich an meiner Reaktion orientiert, z.B. bei seinem ersten Gewitter, der ersten wackeligen Brücke, einem plätschernden Brunnen etc., macht er gar nicht mehr. Er hat gelernt, was okay ist, was egal ist und so weiter (außer Hunde und Mopeds, wobei ihn die nicht verunsichern, Hunde mag er nicht und knatternde Mopeds will er jagen :S).


    Ich mag auch nicht fortlaufend auf meinen Hund achten müssen, falls der irgendwas nachfragt, damit er dann nicht doch selbst entscheidet, wenn ich mal abgelenkt bin und ihn nicht angucken kann. Ich schicke ihn auch tatsächlich von mir weg ("super! weiter!"), wenn er zu lange neben mir läuft und mich dabei anstarrt und gebe ihm damit das Okay, die Umgebung zu erkunden und sich auszuleben. Ich gehe auch bzw. insbesondere für MICH spazieren, Brummi ist mein treuer Begleiter (und muss sich nebenbei auch mal lösen) und achte dann bzw. deswegen auch mal überhaupt nicht auf ihn, bleibe dann stehen und genieße den Blick in die Landschaft oder Googlemapse mir den Weg zurück in die Zivilisation. Zum einen darf er mir da nicht abrupt in die Leine knallen o.ä. und andererseits bekomme ich genau dann gar nicht mit, was er so macht. Kommt da also ein Auto, muss ich mich drauf verlassen können, dass er das links liegen lässt, selbst wenn ich es zu spät sehe und er nicht zwischenzeitlich selbst entscheidet, dass er da jetzt doch hinbrettert, weil ich seinen Blick nicht erwidern konnte. Er würde sich dann zwar nicht von selbst hinsetzen (unser Auto-Popo-Spiel), aber mittlerweile weiß ich, dass er dann eben wartet oder einfach weiter läuft und ja, das war Arbeit.


    Denn ich glaube, was zum Problem werden könnte, wenn der Hund ständig den Blick sucht, ist die Tatsache, dass man eben auch manchmal selbst Tage hat, aus denen man aus irgendeinem Grund für den Hund nicht so "sicher" oder nicht so "anwesend" ist und er dann meint "nee, da frag ich jetzt nicht, ich mach jetzt einfach, ich glaub, Frauchen/Herrchen kann grade nichts entscheiden und ist gedanklich noch bei dem Bügelbrett zuhause".


    Es ist zwar gut, den Blick des Hundes vom Wild weg auf sich zu lenken ("abwenden"), aber das Ziel ist irgendwann, dass der Hund den Reiz sieht, sich von selbst abwendet und wieder anderen Dingen widmet bzw. diesen als neutral bewerten kann. Theoretisch müsstest du dann das weiter verfolgen, was die Trainerin mit uns machen wollte, bei uns aber nicht mehr klappt, weil Brummi sich nicht (mehr) abwenden lässt. Der will und muss glotzen können, sonst steigert das nur das Interesse und die Hemmnis, nicht auf den Reiz zu reagieren, geht komplett flöten.


    Das ständige Nachfragen nach "alles okay? alles gut?" kann auch in Stress ausarten, wenn der Hund meint, er müsste ständig kontrollieren, ob alles... ja, noch in Ordnung ist, weil ansonsten irgendwelche Konsequenzen/Stress/Panik/Verwrirrung o.ä. drohen könnten. :/


    Also wenn man das immer leisten kann, dass man zu 150% anwesend ist für den Hund und nur auf ihn achtet, falls er zu einem blickt, dann ist das sicher praktisch. Was das mit dem Hund auf Dauer macht, weiß ich nicht. Also, ob das Auswirkungen aufs Wohlbefinden hat und in wie weit das Training dadurch sich verändert, stabilisiert oder verbessert, so wie man sich das vorstellt.

  • Wenn wir aber unterwegs sind, dann bin ich froh, wenn mein Hund sich an mir orientiert und nachfragt, ob er tun darf, nach was ihm der Sinn steht. Schließlich fördert meine Sicherheit und die Sicherheit, dass mein Hund sich auf mich verlassen kann, auch die Selbstsicherheit des Hundes, weil er sich durch positive Lernerfahrung selbst bestärkt und belohnt.

    Wie soll denn das Abnehmen von eigenen Entscheidungen die eigene Selbstsicherheit stärken? Welche Lernerfahrung soll er denn machen wenn ihm die eigenen Entscheidungen abgenommen werden? Dabei lernt er doch weniger das er sich auf den Halter verlassen KANN, als das er sich auf den Halter verlassen MUß. Und das "sich auf Andere verlassen müssen" macht eher wenig selbstbewusst.

  • Wenn wir aber unterwegs sind, dann bin ich froh, wenn mein Hund sich an mir orientiert und nachfragt, ob er tun darf, nach was ihm der Sinn steht. Schließlich fördert meine Sicherheit und die Sicherheit, dass mein Hund sich auf mich verlassen kann, auch die Selbstsicherheit des Hundes, weil er sich durch positive Lernerfahrung selbst bestärkt und belohnt.

    Wie soll denn das Abnehmen von eigenen Entscheidungen die eigene Selbstsicherheit stärken? Welche Lernerfahrung soll er denn machen wenn ihm die eigenen Entscheidungen abgenommen werden? Dabei lernt er doch weniger das er sich auf den Halter verlassen KANN, als das er sich auf den Halter verlassen MUß. Und das "sich auf Andere verlassen müssen" macht eher wenig selbstbewusst.

    Ich verweise an dieser Stelle gerne wieder auf den häufig erwähnten Unterschied der Hundetypen - was dem einen das Selbstbewusstsein stärkt, radiert es beim anderen aus.


    Und ich wiederhole mich: Meine Hunde dürfen und sollen denken. Sie dürfen und sollen experimentieren und lernen und dabei möglichst viele Erfolge sammeln, die ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstvertrauen stärken.


    Aber wenn ich an einer stark befahrenen Straße unterwegs bin, dann MÜSSEN sich meine Hunde auf mich verlassen - da grenze ich ihre Freiheit im Geist lieber ein, als dass ich ein Risiko eingehe.


    Manchmal ist es eben durchaus sinnvoll, wenn der Hund einen als "Führenden" nicht hinterfragt und statt dessen lieber eigene Erfahrungen macht, die dann vielleicht nicht positiv für alle Beteiligten enden.

  • @Azemba

    Langfristig ist das Ziel natürlich, dass der Hund weiß, welches Verhalten unerwünscht ist und dann muss er auch nicht nachfragen, sondern entscheidet, dass es unerwünschtes Verhalten ist und er es darum unterlässt.


    Ich möchte aber meinen Hunden so viel Freiheit als möglich geben und da ist es mir auch lieber, wenn mein Hund nachfragt und nicht selbst entscheidet, dass so eine Rehjagd nun doch eine nette Abwechslung sein könnte.


    Gewiss wird sich meine Präsenz mit der Zeit abbauen und irgendwann wird auch Chia wissen, dass ich trotzdem "da" bin, auch wenn ich sie nicht ständig kontrolliere. Aber der Trainingsweg führt erst mal über die Kontrolle, bis die abgebaut werden kann und mein Hund zuverlässig das Jagen unterlässt.


    Wobei ich den Hund auch nicht vom Wild ablenke. Sie darf schauen - soll es sogar und das Reh oder den Hasen wahrnehmen, aber dann entscheiden, nicht einfach hinterher zu preschen, sondern entweder zu fragen, damit ich ein alternatives Jahgverhalten anbieten kann und für sie den Ball fliegen lasse oder eben zu entscheiden, dass das Jagen sich nicht lohnt und es somit auch lassen.


    Wir sind ja nicht am Ziel, sondern auf dem Weg und da wird es noch Rückschritte und Unsicherheiten geben und darum arbeite ich auch daran, erwünschtes Verhalten zu festigen, zu bestärken und zu markern/ belohnen, bis ich weiß, dass ich mich auf meinen Hund verlassen kann und sie nicht ständig geistig bei mir und ich nicht ständig geistig bei ihr sein muss.