Was ist für euch Gewalt in der Hundeerziehung?

  • Dabei kommt der andere wahrscheinlich immer näher

    Und genau das ist das Problem. Die Distanz darf eben nicht immer geringer werden, bis es zur Begegnung kommt, wenn gewisses Verhalten nicht gefestigt ist. Du gehst im Voraus auf, wievielauchimmer, 20m Abstand und diese Distanz bleibt durchgehend gleich und wird nicht unterschritten.


    Wird die Distanz immer geringer, denkt der Hund:


    „Okay, noch 5 Meter…“

    „Okay, noch 4 Meter!“

    „Ohhh gleich isses so weit!!“

    „Mhhh 2 Meter grrr…“

    „Jetzt gleich! Bereit machen!!!!“

    „WIE JETZT! Ich dachte ich darf zu dem hin?!?! WUFF WUFF WUFF!!“


    Einfach, weil das aneinander vorbei laufen auf den Hund so wirkt, als würden sie aufeinander zulaufen und im letzten Moment geht es dann doch nicht. Das kann aber, wenn es den Hund so sehr frustet, dazu führen, dass der irgendwann schon aus der Entfernung anfängt rumzublöken, selbst wenn der Hund noch 20 Meter weit weg ist.


    Dann muss man genau bei der Distanz anfangen, wo der Hund nur guckt und nichts macht, anders kann man auch nicht gegenkonditionieren.

  • Ja, also um nochmal zu verdeutlichen:


    Es geht nicht darum Hundebegegnungen komplett zu vermeiden, denn das sieht Micha369 genau richtig, wenn der reaktive Hund den anderen nicht wahrnimmt, findet ebenfalls kein Lernen statt.


    Also wenn ich zum Beispiel einen spielzeuggeilen Hund mit Spielen derart ablenke, dass er alles andere ausblendet, dann können 95 Hunde vorbeimarschieren und werden einfach nicht wahrgenommen, ergo findet auch keine Desensibilisierung/Gegenkonditionierung statt.


    Das ist der schmale Grat den es herauszufinden gilt: Wahrnehmung Ja, Reaktion zeigen Nein.


    Das heisst, Hundebegegnungen häufig durchführen unter den genannten, kontrollierten Bedingungen und es wird sich eine Konditionierung der Emotionen und entsprechenden Verhaltens ergeben.

  • Ich denke trotzdem, dass es kontraproduktiv ist, einen reaktiven Hund durch bewusst herbeigeführte Hundebegegnungen "abzuhärten", denn kein gestresster Hund hat Kapazitätin im Kopf frei, um zu lernen, respektive das Markern als positive Bestärkung für den Sekundenbruchteil, in dem er seinen Blick vom anderen Hund abwendet, überhaupt wahr zu nehmen.


    Bevor die Impulskontrolle und die Leinenführigkeit nicht zumindest so gut gefestigt ist, dass ich den Hund noch auf mich lenken kann, obwohl ein Hund in der Ferne sichtbar wird, muss ich keine Experimente machen. Natürlich sind Hundebegnungen nicht vermeidbar, aber dass ich mir jetzt eine Strecke suche, auf der dann alle Gassiputzis mit ihren Kleinhunden prominieren, muss auch nicht sein - dabei lernt der Hund nur, dass er alle in die Flucht jagen kann, denn die bleiben garantiert nicht stehen, wenn Chia berserkert und steil in die Leine geht.


    Wir waren ja auch tatsächlich schon ein ganzes Stück weiter und dann kam der Jogger, der mit seinem Hund so nah an uns vorbeirannte, dass Chia ausflippte. Ihr Verhalten wäre auch nicht weniger reaktiv gewesen, wenn danach noch zwei Jogger mit Hund an uns vorbeigerannt wären.


    Wenn uns Hunde besuchen kommen, bellt sie auch, aber sie lässt jeden Hund auf den Hof und ist zu Besuchshunden freundlich.


    Ich habe natürlich auch nicht vor, Hundebegegnungen bewusst so zu vermeiden, dass ich nur noch Wege gehe, die sonst keiner langläuft, aber ich denke, dass es eben Sinn macht, erst einmal an ihrer Impulskontrolle zu arbeiten, denn wenn der Ball fliegt, wartet sie auch nicht zuverlässig auf das Jetzt, sondern brettert auch schon mal vorher los. Genau das ist ja dann bei einer Hundebegegnung das Problem: Sie muss das Warten und Ruhe bewahren aushalten können, ohne dass ihr Frust- und Stresspegel in den roten Bereich steigt. Das gleiche ist mit der Leinenführigkeit: Solange ich ihre Aufmerksamkeit habe, ist sie super leinenführig und reagiert auf jede auch nur so kleine Veränderung in meiner Körperspannung/ Körpersprache. Gerät sie aber unter Stress, dann herrscht eben bunte Knete im Hundehirn vor.


    Darum denke ich auch, dass jede eskalierende Hundebegegnung nur für weitere negative Verknüpfung sorgt und die Erwartungshaltung - wie Azemba schrieb - genau in die falsche Richtung geht. Wenn sie einen anderen Hund sieht und sie dabei entspannter bleiben kann, sodass ich markern und belohnen kann, werden wir auch wieder Fortschritte machen. Aber jede Eskalation wirft uns eher zurück.

  • Ich hatte mit Sam seiner Leinenpöblerei bei anderen Hunden auch schon vieles versucht und bekam dann den Tipp von Ruebchen, dass ich einfach gar nicht darauf eingehen sondern einfach weitergehen soll. Hat auch mit der Zeit ganz gut funktioniert, nur Frontalbegegnungen sind nach wie vor ein Chaos (dort wo ich nicht ausweichen kann).


    Nun haben wir echte Rückschritte verbucht, einfach der Tatsache geschuldet, weil es echt doofe andere HH gibt und nur von A bis B denken können :rolleyes: .

    Als ich vor ein paar Tagen an einer einsamen Gassistrecke gegangen bin, sah ich schon von weitem eine Frau mit ihrem Hund. Ausweichmöglichkeiten gab es, so dass ich weiter in ihre Richtung ging, weil die gute Frau im absoluten Trödelmodus war. Zwischenzeitlich war Sam da schon an der Leine.

    Dann sah sie mich, ihr junger Hund lief weiterhin frei und steuerte direkt auf mich zu. Ich bin dann nach links abgebogen, aber da war es schon zu spät, weil sie eiligen Schrittes auf mich zukam. Also wendete ich mit dem zwischenzeitlich bereits pöbelnden Sam. Dann meinte sie doch glatt, ich soll ihn doch von der Leine lassen, dann könnten die beiden doch spielen. Häääh? Ich fragte mich echt, ob die noch ganz bei Trost ist, weil ihr junger Hund bereits sehr ängstlich aber neugierig auf uns leicht zurobbte. Ich sagte zu ihr, Sam würde der jungen Hündin zwar nichts tun, aber mit Sicherheit so mit ca. 100 Sachen auf sie zustürzen und sie dann bestimmt jagen. Ach das glaubt sie nicht. Ich sagte dann zu ihr, das müsse doch nicht sein, dass ihr junger Hund nun sein ein Erlebnis hat und dadurch einen Schock fürs Leben bekommt.


    Also wenn Sie da wirklich dieser Ansicht sind (Sam pöbelte da wie ein Vergifter), dann gehen wir halt weiter.

    Ich verstehe die Leute nicht. Ich verstehe sie wirklich nicht und genau dieser Vorfall hat uns dann wieder zurückgeworfen. Jetzt sind wir wieder soweit, dass ich sehr viel Distanz aufbauen muss, nur weil die andere HH meinte, das braucht es doch gar nicht.


    So kann es einem halt auch gehen.


    Aber ich habe mich zwischenzeitlich mit dem Thema Unsicherheit bei Hunden befasst und hierzu gibt es einen sehr interessanten Bericht:

    Unsicherheit bei Hunden _ Trainieren statt Dominieren.

    Ich bin noch am lesen, aber der Bericht ist gut und ich leite da so manches auf die Pöblerei ab. Mal sehen, ich werde nun auf Ursachensuche gehen :) .

  • Genau das ist das Problem, Mona. man selbst hat einen Trainingsplan und man macht Fortschritte und dann kommt jemand, der eben darauf so gar keine Rücksicht nimmt und man steht wieder am Anfang. Darum gehe ich Hundebegegnungen eher aus dem Weg, als dass ich sie momentan suche. Wenn ich meine Nachbarin treffe, dann nehme ich das sehr gerne als Training mit, aber die kann ich auch instruieren und die nimmt dann auch Rücksicht.


    Aber jede Eskalation wird nur wieder auf dem Negativ-Konto gespeichert.


    Ich meine, ich h#ätte den Bericht auch schon gelesen. Ich kann es nur nicht einordnen, welche Motivation wirklich hinter Chias Leinenpöbelei steckt. Sie ist nicht unsicher, denn sie will ja zu dem anderen Hund hin und ist eher frustriert, wenn ich das nicht zulasse.

  • Verbena, ich rolle jetzt alles wieder von vorne auf. Der ursprung war garantiert, dass sam von klein auf mit bellen bekundete, dass er zu dem anderen hund hin will und das konnte auch in der welpenschule nicht beigelegt werden. Keine chance. Aber letztendlich suche ich trotzdem und schau, dass wir aus dem jetzigen mist wieder rauskommen und das vll mit verständnis, warum er so reagiert.

    Ich weiss es ja auch nicht, aber wir stehen wieder so ziemlich am anfang und das kann es doch auch nicht sein.

  • Welche Art von Belohnung gebt ihr wenn ihr an der Umkonditionierung arbeitet?

    Wo gebt ihr die Belohnung?

    Wie ist der Ablauf?


    Es ist manchmal wenniger zielführend als man sich wünscht, wenn man nach der Ursache forscht und sich den Kopf zerbricht über das Warum. Unter Umständen verunsichert es uns sogar noch weiter, weil wir das Gefühl haben könnten "Ja, aber er hat halt dies oder jenes schon erlebt, oder war es vielleicht doch was anderes"


    Das trägt natürlich nicht dazu bei, unser eigenes Auftreten sicher und bestimmt zu machen.


    Manchmal verändert sich auch die Emotion unseres Hundes im Laufe der Zeit und was eingangs "nur" Frustration war ist plötzlich zu Aggression geworden. Anfangs wäre unser Hund vielleicht bei tatsächlichem Aufeinandertreffen mit dem anderen Hund noch freundlich oder neutral oder interessiert gewesen aber plötzlich würde er vielleicht seinen aufgestauten Emotionen freien Lauf lassen und zupacken.

    Einmal editiert, zuletzt von Axman ()

  • Na dann macht mal. Irgendwann löst sich das Problem sicher, spätestens biologisch. ^^

    Und da gebe ich Dir recht. Es ist nicht sinnvoll alles über 100% positiver Verstärkung zu versuchen. Es sei denn man hat Spaß dran ein Leben lang mit seinem Hund zu kämpfen bzw. sich immer nach dem Hund zu richten, nachts spazieren zu gehen, unattraktive Routen zu nehmen, Umwege in Kauf zu nehmen.


    Es gibt eine Art ein Hundeleben lang an Problemen zu arbeiten aber doch nie in den Griff zu bekommen (Beispiel: Jagen).

    Oder man geht einen für den Hund klaren, kompromisslosen Weg und das Problem ist gelöst, Hund und HF haben von da an diesbezüglich keinen Stress mehr.

  • gegen tunnelblick kann man nicht viel ausrichten @axmann und leckerlis waren von kleinauf keine option, weil er sie in so einem augenblick verweigert und das spiel auch.

    Aber du hast schon recht, zuviel darf man nicht lesen, sonst kommt man vollends durcheinander und das bauchgefühl leidet auch darunter.

  • Zitat

    Es ist manchmal wenniger zielführend als man sich wünscht, wenn man nach der Ursache forscht und sich den Kopf zerbricht über das Warum. Unter Umständen verunsichert es uns sogar noch weiter, weil wir das Gefühl haben könnten "Ja, aber er hat halt dies oder jenes schon erlebt, oder war es vielleicht doch was anderes"

    Ein Hund lebt vor allem in Hier und Jetzt. Natürlich spielen gemachte Erfahrungen eine Rolle, aber es ist wenig Zielführend darauf übermäßig Rücksicht zu nehmen. Denn der Hund muß bei MIR funktionieren. Also gelten vom Tag der Übernahme auch meine Regeln, vor allem auch und gerade bei einem Welpen. Und gerade wenn ich einen Welpen, also quasi ein unbeschriebenes Blatt, übernommen habe und dann später Probleme mit ihm bekomme, dann würde ich die Schuld mit Sicherheit nicht beim Hund suchen. Da trifft dann der schlaue Spruch: "Es ist immer das obere Ende der Leine!" voll zu.

    Das meine Ansichten zur Hundehaltung, -erziehung hier nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen ist mir wohl bewusst, aber ... meine Hunde "funktionieren". Von daher kann ich so falsch wohl nicht liegen. Einfach mal darüber nachdenken .... ;)

  • Völlig Off-Topic aber: wie süüüüüß!! 😍 und wie klein der Sam damals noch war, sogar Nelli war größer 🥰


    Wieder zurück zum topic: selbst ein Welpe ist nicht unbeschrieben und wenn Probleme seit Tag 1 vorliegen, kann man ziemlich sicher sein, dass das aus den ersten 8 Lebenswochen stammt oder in der Veranlagung begründet liegt.


    Brummis Geschwister sind ja auch so wie er zb, das liefert immerhin mal die Erklärung, ändert aber nichts an der Behebung an sich, zumindest nicht in unserem Falle. :D

  • und das war dann immer so, sobald er einen anderen hund nur gesehen hat, ging die kläfferei los. Selbst in der welpenschule hatten sie damals gesagt, dass sie so etwas auch noch nie gesehen haben und in der og mit 5 monaten diesselbe aussage, dass das seltenheitswert hat :/