Wesensbeurteilung

  • Ich verstehe diesen Einwand nicht recht. Es soll "möglichst das Grundwesen beurteilt werden". In diesem Falle Crazy wird also festgemacht, Cinja entfernt sich - und das eben ohne "Platz" oder "Bleib" o.ä. Es soll ja nicht geguckt werden, ob Crazy tatsächlich im Platz bleibt, sondern wie sie sich ohne ihre Bezugsperson verhält. Und ich sehe keinen Widerspruch darin, wenn man mit einem jungen Hund wackelige Untergründe, Leitern, laute Geräusche oder ähnliches "trainiert" - das gehört doch zur normalen Erziehung dazu. Ein ängstliches oder zurückhaltendes Naturell wird das in unbekannter Umgebung vllt eher "halterorientiert" zeigen, während der lockere Kollege auf die Leiter hechtet.

  • Wenn Dein Hund irgendwelche "Löcher" hat, kannst Du die in gewohnter Umgebung zuschmieren. In fremder nicht... Wenn Dein Hund vom Naturell her z.B. Probleme hat mit glatten wackeligen Oberflächen und lauten Geräuschen, kannst Du ihn scheibchenweise daran gewöhnen. Vielleicht sogar so weit dass er das dann auch in fremder Umgebung übersteht. Aber Dein Hund wird direkt im Anschluss nicht drangvoll und überzeugend spielen und einen belastbaren Beutetrieb zeigen.

    Und wenn man mit seinen Hund regelmäßig in fremder Umgebung mit fremden Leuten trainiert,z.B. auf fremde Hundeplätze.

    Und jeden Schäferhund sollte man eigentlich so beutegeil auf die Beißwurst machen können, daß er auch drangvoll und überzeugend spielt und dabei einen belastbaren Beutetrieb zeigt.


    Ich bin und bleibe der Meinung, daß man mit Üben und Training viel erreichen kann.


    Um den Genotyp eines Hundes zu erkennen, halte ich so einen Wesenstest für nicht so ideal.

    Dafür müßten die Hunde in gleicher Umgebung aufwachsen und mit keinerlei Außenreize konfrontiert werden. Dann könnte man bei so einen Wesenstest die Wesensmängel aufdecken.

  • Bei der Wesensbeurteilung geht es nicht darum zu sehen ob der HF mit dem Hund trainiert hat. Sondern wie der Name schon sagt es wird das WESEN des Hundes beurteilt. Natürlich ist es besser wenn man gewisse Situationen der WB geübt hat aber es ist ja kein zwang.

  • Um den Genotyp eines Hundes zu erkennen, halte ich so einen Wesenstest für nicht so ideal.

    Den Genotyp eines Hundes kannst Du durch eine Beurteilung des Phänotyps nie ermitteln. Da helfen Dir nur Gentests weiter. Zudem sind diese Wesensbeurteilungen im VDH nun mal vorgeschrieben. Bisher wurden sie von vielen Verbänden nur oberflächlich durchgeführt. Der SV hat das jetzt halt geändert. Und allein durch die Absolvierung dieser Wesensbeurteilung bekommst Du ja noch keinen Hund in die Zucht. Die ist ja nur ein Baustein von vielen...


    Nochmal: Hat ein Hund aufgrund seines Naturells, welches er genetisch mit bringt, irgendwelche Defizite im Bereich der mentalen Belastbarkeit und/oder seines Spiel- und Beutetriebes, dann wird sich das in den dafür relevanten Teilen dieser Wesensbeurteilung entsprechend zeigen. Z.B. einen Hund, der sich prinzipiell nicht wohl fühlt zwischen fremden Leuten, kann ich natürlich durch entsprechende Prägung und Training daran gewöhnen dass er mit mir zusammen zwischen fremde Menschen geht. Aber an einem völlig fremden Ort, an dem er auch die Möglichkeit hat sich der Nähe der fremden Menschen zu entziehen, wird er sich ohne direkte Einwirkungen durch seinen Hundehalter doch anders zeigen als ein Hund, der fremde Menschen mag, oder einer dem fremde Menschen egal sind. Das kennt man doch auch vom durchschnittlichen Grundwesen der einzelnen Rassen. Ein typischer Labbi, dem in seinen Prägephasen nix Schlimmes passiert ist, wird sich in einer Gruppe mit fremden Menschen anders zeigen als z.B. ein durchschnittlicher Chow Chow oder ein durchschnittlicher Tschecheslowakischer Wolfshund oder ein durchschnittlicher Galgo oder ein durchschnittlicher Malinois etc. Zudem darf man nicht vergessen in welcher Entwicklungsphase sich die Hunde bei dieser Wesensbeurteilung befinden. Und gerade beim Schäferhund ist diese Phase sehr sensibel und dadurch eigentlich gut gewählt für die Beurteilung.


    Zudem wird sich bei Zuchttieren, die viele Nachkommen haben, unabhängig von der Aufzucht und Prägung der Hunde ein Muster ergeben in Bezug auf ihre Nachzucht. Sprich Du wirst, je mehr Nachkommen eines Hundes beurteilt worden sind, um so genauer beurteilen können wie er im mentalen Bereich vererbt. Einige wenige super gut geprägte und trainierte Nachkommen beeinflussen diese Beurteilung dann genau so wenig wie einige sehr schlecht geprägte Nachkommen. Das hat sich ja im schwedischen Mentaltest (den dort alle Rassen absolvieren) bereits gezeigt.

  • Und es wird ja auch z. B. der Spieltrieb überprüft. Wenn du einen Hund hast, der nur mit Mühe motiviert werden kann, wirst du das nicht groß üben können und in fremder Umgebung kommt dann vielleicht gar nichts mehr.

    :thumbup: So ist es... Passiert einem ja auch häufig als Trainer auf dem Hundeplatz: Leute kommen mit Hund, der angeblich spielt wie bekloppt und total verfressen ist. Aber alleine die Atmosphäre auf dem Hundeplatz, die anderen Hunde, das etwas nervöse Frauchen oder Herrchen am Ende der Leine, und *schwupps" schaut der angebliche Bällchen-Junkie seinen Ball nicht mal mehr an, und die Leckerchen scheinen urplötzlich alle nicht mehr geniessbar zu sein...


    Bei der Wesensüberprüfung soll dann ein so junger Hund sein Spielzeug überzeugend in einem fremden Vereinsheim suchen, nachdem ihm ein Blechnapf auf dem Fliesenboden hinterher geworfen wurde, und oben auf der Theke die Mettbrötchen stehen... 8) Deswegen sag ich: Macht das erst mal mit Eurem Hund, bevor Ihr darüber diskutiert dass das alles Pillepalle ist...

  • Also ich hab es mit meinem Rüden machen müssen war aber auch in unserer OG deswegen war das Handicap fremde Umgebung nicht ! Hab es direct mit 9 Monaten gemacht!

  • :thumbup: So ist es... Passiert einem ja auch häufig als Trainer auf dem Hundeplatz: Leute kommen mit Hund, der angeblich spielt wie bekloppt und total verfressen ist. Aber alleine die Atmosphäre auf dem Hundeplatz, die anderen Hunde, das etwas nervöse Frauchen oder Herrchen am Ende der Leine, und *schwupps" schaut der angebliche Bällchen-Junkie seinen Ball nicht mal mehr an, und die Leckerchen scheinen urplötzlich alle nicht mehr geniessbar zu sein...


    Bei der Wesensüberprüfung soll dann ein so junger Hund sein Spielzeug überzeugend in einem fremden Vereinsheim suchen, nachdem ihm ein Blechnapf auf dem Fliesenboden hinterher geworfen wurde, und oben auf der Theke die Mettbrötchen stehen... 8) Deswegen sag ich: Macht das erst mal mit Eurem Hund, bevor Ihr darüber diskutiert dass das alles Pillepalle ist...

    Genau , das macht Dina;(

  • Den Genotyp eines Hundes kannst Du durch eine Beurteilung des Phänotyps nie ermitteln. Da helfen Dir nur Gentests weiter.

    In wie weit helfen dort nur Gentests weiter?

    Den Genotyp eines Hundes kann man auch ermitteln, indem man ihm Situationen aussetzt, die er vorher noch nie erlebt und trainiert hatte.

    Ein Hund, der noch nie über einen Agilitysteg gelaufen ist und dann über mehrere Tische laufen kann, dem liegt die Unerschrockenheit in der Gene.

    Ein Hund, der noch nie mit einer fremden Person gespielt hat und dann im Test auch mit einer anderen Person spielt, dem liegt der hohe Spieltrieb in der Gene.


    Das gute an dem SV-Wesenstest ist, daß er nur für Hunde bis 13 Monate ist. Da werden viele Leute zeitlich nicht die Möglichkeit haben, um aus einen ängstlichen Hund durch Training einen richtigen unerschrockenen Draufgänger zu machen.

  • Das, was Du sehen kannst, ist immer der Phänoyp! Und der bildet sich aus dem Genotyp und Umwelteinflüssen. Wenn Du z.B. erkennst dass ein Hund schussscheu ist, dann weißt Du im Einzelfall nie ob das genotypisch bedingt ist oder auf negativen Umwelteinflüssen beruht. Wenn Du mehrere Hunde eines Wurfes kennst, die alle schussscheu sind, dann liegt die Vermutung nahe dass es dafür einen erblichen Hintergrund gibt. Trotzdem bleibt das eine Vermutung. Wirklich wissen dass das eine gentoypische Grundlage hat kann man nur wenn a) die Gene, die dafür ursächlich sind, identifizerien werden konnten, und b) bei den betreffenden Tieren dann eine entsprechende Genotypisierung durchgeführt wurde.


    Das geht sogar noch weiter.... So können schlechte Haltungsbedingungen in einer Zuchtstätte dazu führen dass sich die Nachzucht aus dieser Zuchtstätte vom Wesen her unsicherer zeigt als üblich. Inzwischen weiß man dass epigenetische Einflüsse während der Trächtigkeit derart auf die Föten einwirken können. So sind z.B. Mäuse, deren Mütter während der Tragzeit Stress ausgesetzt waren, ängstlicher und zurückhaltender als solche, deren Mütter während der Tragzeit keinem derartigen Stress ausgesetzt waren. Was biologisch auch einen Sinn macht. Denn lebt die Mutter in einem gefährlichen Umfeld, ist es für ihren Nachwuchs ein Vorteil wenn er vorsichtiger durch's Leben geht. Denn dann überlebt er länger...


    Der Zweck dieser Art der Wesensüberprüfung liegt nicht nur in der Beschreibung der Einzeltiere. Ein Aspekt war auch dass sich die Halter der Junghunde sinnvoll mit ihnen beschäftigen sollen. Das war vielen Mitgliedern im SV ein Anliegen. Beim DSH ist es ja immer noch ein Problem dass es einige Züchter gibt, die in großem Stil züchten, und die Nachzucht demzufolge hauptsächlich im Zwinger aufgezogen wird und die Welpen/Junghunde nichts kennen lernt.


    Zudem ist sie nur ein Baustein im neuen SV-Konzept. Der zweite Baustein ist die neue Zuchtanlageprüfung. Und der dritte Baustein ist das Projekt "365", bei dem es um die Aufzucht von Welpen im ersten Lebensjahr geht. Das startet gerade als Pilotprojekt in einigen wenigen Ortgruppen (übrigens unter der Federführung von Udo Gansloßer).

  • Toll Waschbär , dass du dein Wissen hier so mit uns teilst.:thumbup: Ich finde deine Beiträge immer sehr interessant und auch informativ. Als Ottilie-Normal-Verbraucherin habe ich ja keinerlei Kenntnisse über diese ganzen Dinge.

    Und dann schreibst du meinem Empfinden nach auch noch sehr verständlich. Vielen Dank. :thumbup:

  • :thumbup: So ist es... Passiert einem ja auch häufig als Trainer auf dem Hundeplatz: Leute kommen mit Hund, der angeblich spielt wie bekloppt und total verfressen ist. Aber alleine die Atmosphäre auf dem Hundeplatz, die anderen Hunde, das etwas nervöse Frauchen oder Herrchen am Ende der Leine, und *schwupps" schaut der angebliche Bällchen-Junkie seinen Ball nicht mal mehr an, und die Leckerchen scheinen urplötzlich alle nicht mehr geniessbar zu sein...


    Bei der Wesensüberprüfung soll dann ein so junger Hund sein Spielzeug überzeugend in einem fremden Vereinsheim suchen, nachdem ihm ein Blechnapf auf dem Fliesenboden hinterher geworfen wurde, und oben auf der Theke die Mettbrötchen stehen... 8) Deswegen sag ich: Macht das erst mal mit Eurem Hund, bevor Ihr darüber diskutiert dass das alles Pillepalle ist...

    Hi,


    wo hab ich was von "pillepalle" geschrieben? Habe sogar klargestellt, dass es darum doch gar nicht geht. Ich sach nur, dass man es kritisch sehen kann, was diese Tests über das Wesen des Hundes tatsächlich aussagen.

    Oder anders: Der wesensmäßig beste Hund wird sich schwer tun bei dem Test, wenn er zuvor nie mit ähnlichen Dingen konfrontiert wurde. Man testet also nie nur das Wesen, sondern immer auch den Trainingsstand. Beides lässt sich ja auch sauber gar nicht trennen, da das Wesen, das zum Phänotyp gehört, ja aus Anlage und Umwelt, also Erfahrungen besteht.


    Das geht sogar noch weiter: Man forscht heute in die Richtung, dass zB Traumata vererbt werden, die nicht zum Zeitpunkt der Schwangerschaft stattfanden. Denn dann könnte man ja immer noch damit argumentieren, dass die Mutter Stresshormone ausgeschüttet hat, die sich auf die Entwicklung der Kinder auswirkte, etc.

    Krasser: Beispiel: Mäusen zeigt man die Farbe rot und fügt einen negativen Reiz hinzu. Die Nachkommen dieser Mäuse reagieren entsprechend auf die Farbe rot. Total abgefahren, wenn man sich klar macht, was das auch für menschliche Gesellschaften bedeuten könnte...

    Es scheint so, als gäbe es nicht einfach ein Anlage-Umwelt-Modell, sondern als sei es so, dass es permanente Wechselwirkungen gibt. Ich sachs gern nochmal: Total abgefahren!!!


    Im übrigen bestätigst Du doch, was ich sage, wenn Du zB auf die schlechten Haltungsbedingungen verweist. Warum sind die schlecht? Weil der Hund nur im Zwinger ist. Also fehlt ihm Erfahrung. Die aber kann man ihm ja geben durch Gewöhnung an genau die diesem standardisiertem Text zugrundeliegenden Aufgaben, also auch durch Training.

    Und wenn dadurch erreicht wird, dass mehr HH ihre Hunde grad in der Sozialisierungsphase an viele Dinge gewöhnen, so dass der Hund später weniger ängstlich reagiert, ist der Test doch ne gute Sache!!!!:)


    Auch das mit dem 365Projekt hört sich gut an. Der Gansloßer ist ja ein interessanter Typ! Spannend, wie der SV zu seinen Ansichten zur Schutzhundausbildung steht.


    Aber egal, ich finds immer gut, wenn Sachen unternommen werden, von denen im Endeffekt Hunde und Menschen profitieren. Und da so ein Test viel einfacher zu praktizieren ist als ein Alltagstest, finde ich die Entwicklung hin zu solchen Tests gut! Nur, um das nochmal klar zu stellen!


    Liebe Grüße

    Lupus

  • Und da so ein Test viel einfacher zu praktizieren ist als ein Alltagstest, finde ich die Entwicklung hin zu solchen Tests gut!

    Diese Entwicklung gab es schon immer. Bei uns in der Gruppenarbeit wurde vieles trainiert, was auch im SV-Wesenstest verlangt wird, und das schon mit Junghunde, die gerade aus der Welpenstunde kamen.

    Nur bei vielen Hundesportlern war die Gruppenarbeit verschrien und die Gruppenarbeit erhält vielleicht nun durch den Wesenstest mehr Wertschätzung.

  • Im neuen "Der Gebrauchshund" gibt es einen ausführlichen Bericht über den "neuen Weg des Zuchteinstiegs" ( = Wesensbeurteilung plus Zuchtanlageprüfung) im SV. Wer sich dafür wirklich interessiert sollte sich diese Ausgabe holen. U.a. wird darin berichtet wie die Wesensbeurteilung entwickelt wurde und was die Zielsetzung ist.


    Hier gibt es eine Leseprobe (bis zur letzten Seite runter scrollen):

    https://www.der-gebrauchshund.…DFs/DGH%201-2019%20LP.pdf